Astrologie
sive astrologia sit ars sive scientia
cert una pulchra fantasia
Sei Astrologie nun Kunst oder Wissenschaft
auf jeden Fall ist sie eine wunderschöne Fantasie
Philipp Melanchthon
Als im Jahre 1975 an die 200 führende Wissenschaftler, darunter allein 19 Nobelpreisträger, eine feurige Stellungnahme gegen die Astrologie unterschrieben, hatten einige von ihnen erklärtermaßen keine Ahnung vom dem Metier, über das sie urteilten.
Der Wissenschaftstheoretiker Paul Feyerabend bemerkte hierzu:
"Wir sehen, das Urteil der '186 führenden Wissenschaftler' ruht auf einer vorsintflutlichen Anthropologie, auf einer Unkenntnis neuer Resultate in ihren Wissenschaften (Astronomie, Biologie, Verbindung zwischen beiden) sowie auf der Unfähigkeit, die Implikationen von Resultaten zu sehen, die sie kennen. Es zeigt, wie oft Wissenschaftler ihre Autorität selbst dann einsetzen, wenn sie nichts wissen."
Wer sich wie der historische Dr. Faustus mit der Sternendeuterei beschäftigt, gerät in Verdacht, einen Pakt mit dem Teufel einzugehen. Die Vertreter des Wissenschafts-Establishments oder zumindest jene, die dazugehören möchten, wissen um die Gefahr einer solchen Rufschädigung. Freilich gibt es auch im 20. Jahrhundert bedeutende Physiker, die anderer Meinung sind.
Carl Friedrich von Weizsäcker:
"Ich bin als Physiker an die Sache [Astrologie] herangegangen mit aller Skepsis. Ich habe den Eindruck gewonnen, einfach in der Beschäftigung damit, daß empirisch etwas dran ist. Ich bin zwar skeptisch gegen die Astrologen, aber auch skeptisch gegen die Meinung der Physiker."
Und dann gibt es da noch Albert Einstein, dessen Relativitätstheorie bekanntlich Grundlage der Physik des 20. Jahrhunderts wurde: "Die Astrologie ist eine Wissenschaft für sich. Aber eine wegweisende. Ich habe viel aus ihr gelernt und vielen Nutzen aus ihr ziehen können. Die physikalischen Erkenntnisse unterstreichen die Macht der Sterne über irdisches Geschick. Die Astrologie aber unterstreicht in gewissem Sinne die physikalischen Erkenntnisse."
Angesichts der Tatsache, daß sich sowohl die heutige Astrologie als auch die heutige Astronomie erheblich von den Konzepten des Mittelalters unterscheiden, wäre die Frage berechtigt, ob nicht „die von Melanchthon in dieser Sache vertretenen Positionen mit Recht schon lange auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet“ seien.
Moderne Horoskopdeutungen halten sich frei von Determinismus und haben die Entfaltung der Persönlichkeit zum Ziel. Der Astrophysiker unserer Zeit versucht hingegen, das Naturgeschehen in Gesetze zu fassen, beobachtet Vorgänge im Kosmos und bemüht sich, deren Anfangsbedingungen und Endergebnisse durch Beobachtung und Rechnung festzustellen. Es sieht zunächst so aus, als könne eine wissenschaftliche Überprüfung möglich sein: Man beobachtet Sonne, Mond, Planeten und den Menschen in einem bestimmten Zustand und kann daraus den Zustand des Menschen für einen anderen Zeitpunkt bestimmen. Nur: Der Mensch ist ein höchst kompliziertes, aus vielen sehr spezifischen Organen zusammengesetztes Wesen, das mit allen anderen Wesen auf der Erde in höchst komplizierter Wechselwirkung steht. Auf diese Weise kann das Experiment Mensch, Sonne, Mond, Planeten nicht durchgeführt werden. Der Anspruch ist zu hoch, es lassen sich keine eindeutigen Resultate erzielen.
Interessanterweise hat Melanchthon neben seinem Einsatz für eine an den Universitäten gelehrte Astrologie auch zur faustischen Mythenbildung beigetragen. Ahnte der Reformator bereits, in welche Richtung sich eine von jeglicher Ethik und Moral entbundene Wissenschaft entwickeln könne? Diese Schreckensvision ist Ende des 20. Jahrhunderts Wirklichkeit geworden. Forschung und Technologie wenden sich gegen die Natur, unterliegen in der globalen Gesellschaft kaum noch irgendwelchen Grenzen.
Newton (1643-1727) stand der Astrologie in ihrer damals ausgeübten Form völlig gleichgültig gegenüber. Sein berühmtes Statement „I have studied these things – you have not“ gegenüber der Kritik des Astronomen Halley verteidigte nicht die Sternendeuterei, sondern bezog sich auf Newtons sehr weitgehende kosmologische und metaphysische Interessen.
In seinen Philosophical origins erläuterte er: Für den Fall, daß die Sterne durch die Kraft ihrer Seelen auf ihren Himmelsbahnen Halt fänden und sie aus der Sicht der Menschen göttlich seien, müsse die ursprüngliche Astrologie und Theologie durch Priester entstanden sein, um das Studium der Sterne zu fördern, die Priesterschaft zu entwickeln und lebenslang auf Erden zu verbreiten. Newton transformierte Astrologie in eine von esoterischen Gedanken durchdrungene Naturphilosophie. Profane Horoskopdeutungen interessierten ihn nicht. Für ihn war der Kosmos göttlich und beseelt. Seine Chronologie der Alten Königreiche mit drei Tafeln von König Salomons Tempel beweist, wie wenig sich dieser bedeutende Physiker auf die reinen Naturwissenschaften beschränkte. Er hoffte, über die Alchemie die Struktur und Natur der Materie ausfindig machen zu können.
Wie groß der Anteil dieser Arbeiten an seinem Gesamtwerk ist, läßt sich an einer Auktion von Newtons Manuskripten im Jahre 1936 ermessen, die allein schon 121 Pakete zu diesem Thema anbot.
Eine Welt ganz ohne Christengott und ohne Sternenkult: Ende des 18. Jahrhunderts wurden alle Dinge, die nicht mit dem menschlichen Verstand eindeutig zu erklären waren, ins Abseits gedrängt. In letzter Konsequenz sah man Christus nur noch als Astralmythos – eine übrigens ganz einleuchtende Erklärung...
Zu jener Zeit wandte sich der aufgeklärte Friedrich Schiller bei Recherchen für seinen „Wallenstein“ an seinen Freund Goethe. Wie war der Gestirnsglaube des Feldherrn zu verstehen, warum hörte er so sehr auf die Ratschläge seines italienischen Astrologen Zenno und las die Prognosen Keplers?
Die Antwort aus Weimar lautete:
"Der astrologische Aberglaube ruht auf dem dunklen Gefühl eines ungeheuren Weltganzen. Die Erfahrung spricht, daß die nächsten Gestirne einen entschiedenen Einfluß auf Witterung, Vegetation etc. haben; man darf nur stufenweise immer aufwärts steigen, und es läßt sich nicht sagen, wo die Wirkung aufhört. Findet doch der Astronom überall Störungen eines Gestirns durchs andere. Ist doch der Philosoph geneigt, eine Wirkung auf das Entfernteste anzunehmen. So darf der Mensch im Vorgefühl seiner selbst nur immer etwas weiter schreiten und diese Entwicklung aufs Sittliche, auf Glück und Unglück ausdehnen. Diesen und ähnlichen Wahn möchte ich nicht einmal Aberglauben nennen, er liegt unserer Natur so nahe, ist so leidlich und läßlich als irgendein Glaube."
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